Kundensegmentierung: Falsche Kunden kauft man sich im Laufe der Jahre aufgrund einer schleichenden Verzettelung ein. Sie binden Ressourcen und sorgen dafür, dass immer mehr Mitarbeiter benötigt werden.
Vertriebs- und Marketingexperten beschäftigen sich von morgens bis abends mit der Frage, wie man einem Kunden das richtige Produkt zur richtigen Zeit andienen kann und wie man ihn infolge dazu bringen kann, das Produkt zu kaufen.
Im B2B-Geschäft stellen Produktspezialisten und Key-Account-Manager ihren Kunden in Aussicht: »Sag, was du brauchst, und wir basteln es dir zurecht«.
Im Retail-Geschäft bringen Trainern den Verkäufern bei: »Für jeden Kunden, der unser Geschäft betritt, haben wir das richtige Produkt. Ihr müsst nur lernen, es zu erkennen«.
Aber nicht jeden Kunden, den man sich leistet, kann man sich leisten.
Und nicht jeden Kunden, den man sich leisten kann, sollte man sich leisten.
Denn “falsche” Kunden binden überproportional hohe Ressourcen und sorgen dafür, dass immer mehr Mitarbeiter benötigt werden, damit man die sich daraus ergebende Mehrarbeit bewältigt. Das mindert in Folge die Profitabilität der Firma. Die Organisation wird im Laufe der Jahre immer fragiler und reagiert immer heftiger auf neue unternehmerische Entscheidungen.
Richtige Kunden kann man begeistern und sie empfehlen einen weiter. Falsche Kunden bleiben unzufrieden und verlangen immer “mehr”, weil man mit dem Produkt ihr eigentliches Bedürfnis nicht wirklich erfüllt. Genau dieses Verhalten kostet viel Geld. Ihr Geld. Welches Empfehlungsverhalten kann man wohl von den Letztgenannten erwarten?
Sie mögen einwenden: Bei der Kundensegmentierung im Allgemeinen, und um falsche Kunden zu identifizieren im Besonderen, haben wir ja unsere Experten im Controlling und in der Buchhaltung.
Es ist nur leider so, dass der übliche Controlling-Ansatz m. E. sehr dürftig widerspiegelt, wie sehr falsche Kunden faktisch die Organisation belasten: Nicht selten weisen sie nämlich buchhalterisch einen Gewinn aus, während sie ökonomisch hohe Verluste verursachen.
- Nehmen Sie z. B. einen Kunden, der üblicherweise ein einziges Angebot von Ihnen benötigt und daraus unmittelbar Umsätze in Höhe von 100 Einheiten hervorgehen.
- Im Gegensatz zu einem anderen Kunden, der sich üblicherweise viele Angebote vorlegen lässt, mit mehreren Mitarbeitern in Ihrer Firma hin und her telefoniert und erst nach diversen zähen Verhandlungen die 100 Einheiten tätigt.
Wenn Ihre Systeme bei einer Kundensegmentierung dieses unterschiedliche Kundenverhalten abbilden, gehört Ihr Unternehmen zu einer goldenen Minderheit.
Oder nehmen Sie die folgenden beiden Situationen:
- Fall 1: Nach Recherche und Planung veranlassen Sie die Markteinführung einer neuen Dienstleistung/eines neuen Produkt-Features für Ihre Gesamtkundschaft.
- Fall 2: Ein Kunde “erzwingt” von Ihnen eine neue Dienstleistung/ein neues Produkt-Feature und sie überlegen anschließend, wie Sie sie auch bei Ihren bestehenden Kunden einführen können.
Auch ohne Berechnungen kann man leicht prognostizieren, dass diese beiden Fälle unterschiedliche Produktivitäts- und Profitabilitätsparameter ausweisen werden.
Falsche Kunden kauft man sich im Laufe der Jahre aufgrund einer schleichenden Verzettelung in der strategischen Positionierung ein.
Wie erkennt man bestehende falsche Kunden? Ich empfehle meinen Firmenkunden die folgende Strategie und helfe, sie umzusetzen:
Emotionale Hinweise sollte man nicht ausblenden, sondern aktiv einbinden: Wenn Ihre Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen wiederholt berichten, dass der Kunde XY “nervt”, dann ist dieser Indikator möglicherweise aussagefähiger, als alle Deckungsbeitragsrechnungen zusammen!
Als Unternehmer benötigen Sie ein Management Informationssystem, das die Realität Ihrer Firma so gut wie möglich abbildet, und nicht eins, das primär die gültigen steuerlichen und buchhalterischen Regeln genügt! Dafür ist es notwendig, das enge Korsett der Finanz- und Betriebsbuchhaltung kurzzeitig abzulegen und kreativ neue Wege zu gehen.
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5 Kommentare zu „Kundensegmentierung: Erkennen Sie falsche Kunden?“
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Aus eigener Erfahrung in einem großen Unternehmen gab es ca. 1/3 sehr lukrative Aufträge, 1/3 kostendeckende Aufträge und 1/3 Aufträge welche man schon vorher wußte, dass sie mit einer Unterdeckung kalkuliert sind. Das letzte Drittel wurde aus unterschiedlichen Gründen so angeboten. Gelegentlich wollte man damit in neue Geschäftsfeldern, Regionen, Prestige oder für einen bestimmten neuen Kunden tätig werden. Oft waren es auch spekulative Aufträge die sich durch Verkauf von Zusatzleistungen hätten lukrativ werden können.
Auch wenn nicht immer die vorher angedachte Strategie oder die Spekulation aufging, dennoch unter dem Strich gesehen, war das Unternehmen erfolgreich.
Wenn ein Unternehmen sich nur mit dem 1. Drittel der lukrativen Aufträge beschäftigt, wird sie auch nur ein Drittel so groß sein wie vorher. Auch bei dieser Strategie hat man mit fatalen Folgen zu rechnen.
Ja, Großunternehmen haben in der Regel ausgefeilte Systeme, um Kostentreiber zu identifizieren und beanspruchungsgerechter zu verteilen. Soweit die offizielle Darstellung. Spricht man mit operativen Managern in diesen Unternehmen, hört man gelegentlich: Zweifel sind durchaus angebracht.
Ungeachtet der Anfangskalkulation, ein anderes Problem sehe ich in diesem Zusammenhang bei Großunternehmen als wesentlich gravierender an: Nehmen wir an, eine große Offensive wird gestartet, um neue Zielgruppen oder Märkte zu erschließen. Irgendjemand stellt irgendwo irgendwann eine Soll-Ist-Kalkulation auf und man stellt fest: „Die Kuh fliegt nicht“. Was passiert dann? Anders als bei mittelständischen Unternehmen kann man bei Großunternehmen die magische Arbeitsmehrung miterleben: Die neue Markt- und Kundenoffensive mag zwar eingestellt sein, aber die vielen damit betrauten Mitarbeitern laufen weiterhin mit einer 60-Stunden Woche umher. Alle Ressourcen, die man nach und nach eingekauft hatte, bleiben weiterhin da. Für die nächste Offensive braucht man wieder neue Mitarbeiter. Die o.g. negative Fixkosten-Hebelwirkung wirkt immer nachhaltiger, bis man sich entschließt, im großen Stil Mitarbeiter abzubauen. Mit Abfindungszahlungen etc. pp. versteht sich. Aber wieder nicht verursachungsgerecht, sondern nach der Rasenmähermethode: Alle Einheiten sollen X% abbauen.
Was mich wundert, ist, dass man sich immer wieder wundert, dass diese Strategie nur neue Baustellen schafft, aber keine Probleme löst.
Zu Ihrer letzten Anmerkung: Man braucht doch keine als Umsatz getarnten Verluste einzukaufen, um erfolgreich zu wachsen!
Stellen Sie sich vor, ein Immobilienmkler vermietet in einer gefragten Metropole Wohnungen zu einem angemessenen Mietzins. Er kann alle seine Intressenten auf einem Termin zur Wohnung bestellen und einen der fünfzig Intressenten aussuchen. Keine unnötige Termine, kein Genörgel und sozusagen keine Kunden die schweirig sind oder gar nerven.
Wenn er im ländlichen Raum tätig wird, muss er jeden einzelnen Kunden empfangen, wahrscheinlich auch pro Kunde meherere Termine auch zu ungewöhnlichen Zeiten vereinbaren, usw.
Jedenfalls wird er alleine mit dem Aufschließen der Wohnung und den Satz “schauen sie sich ruhig um” nicht viel weiterkommen.:)
Der einzige Grund warum dieser Makler sowohl auf dem Land als auch in der Stadt tätig wird, liegt darin, dass er nur mit seinen Stadtkunden nicht den gewünschten Umsatz erreichen kann.
Genauso wird auch in vielen Unternehmen gedacht und die schwierigen Kunden -trotz schlechterer Marge- mitbedient.
Ich werde versuchen Sie an Ihrem Beispiel abzuholen: Das Problem ist, dass Ihr Makler seine eigene Zeit nicht berechnet und bezahlt! Würde er einen Freiberufler für diese Tätigkeit einstellen, der nicht nur die Fahrten mit € 0,30 berechnet, sondern auch einen Stundensatz von X, würde er auch auf dem Land ganz schnell neue Spielregeln einführen.
Mit Firmen läuft es ähnlich: Sie sind in der Zwischenzeit mit 50, 100, 1.000 oder mehr Mitarbeitern unterwegs, die Festgehälter beziehen. Da Gehälter sich fix und Umsätze volatil verhalten, ist das Unternehmen einer starken Hebelwirkung ausgesetzt. Genauso wie Ihr Makler achtet die Firma darauf, ob Umsatz zustande kommt und ob unterm Strich ein guter Gewinn herauskommt. Die Personalkosten werden derweil nach Schlüsseln verteilt. Aber in aller Regel eben nicht verursachungsgerecht. Analysiert man einen Schlüsselkunden wahrhafter, dann stellt man manchmal überrascht fest, dass es nicht um „schlechtere Margen“ geht, sondern um „kontinuierliche Verluste und hohe Kollateralschäden“. Hat man viele solche Kunden, kann es aufgrund der Hebelwirkung zu fatalen Konsequenzen führen.