Digitale Transformation: Eine Hand hält eine Brille und sucht nach relevanten Informationen in den vielen Daten.
Die digitale Transformation rückt die „Effizienz des Datenaustauschs“ in den Vordergrund. Werden aber dabei valide Daten & relevante Informationen ausgetauscht?
Die digitale Transformation rückt die „Effizienz des Datenaustauschs“ in den Vordergrund. Werden aber dabei valide Daten & relevante Informationen ausgetauscht?

Digitale Transformation: Unterschied zwischen „Daten“ und „Informationen“

9 Min.

Die digitale Transformation rückt die „Effizienz des Datenaustauschs“ in den Vordergrund und verdrängt damit ein Stück weit die Frage, ob tatsächlich relevante Informationen ausgetauscht werden und ob diese auf validen Daten beruhen.

Der Begriff „digitale Transformation“ ist in aller Munde. Gemeint ist damit in der Regel die Verlagerung und der Austausch von Daten, die bisher offline ausgetauscht wurden, in eine digitale Umgebung.

Zur Veranschaulichung: Eine Formulardatei wird auf dem lokalen Rechner von Person „A“ ausgefüllt, ausgedruckt und per Post an eine Person „B“ an einem anderen Ort geschickt, die dann die gesammelten Daten manuell auf ihrem eigenen lokalen Rechner erfasst und weiterverwendet. Soll auch Person „C“ die Daten des Formulars einsehen, so kopiert „A“ (oder „B“) das Formular und sendet die Kopie an „C“. Enthält das Formular Adressangaben, die „B“ für einen Brief benötigt, setzt sich „B“ hin und trägt die Adresse manuell in das Feld Briefadresse ein.

Die digitale Transformation soll diesen Prozess ersetzen: Durch Formularfelder, die von „A“ am lokalen Rechner oder cloudbasiert ausgefüllt werden und dann über Schnittstellen nicht nur „B“ und „C“, sondern auch allen anderen zukünftigen Berechtigten digital zur Verfügung stehen. Und die in den Formularfeldern erfassten Daten können automatisiert und fehlerfrei weiterverarbeitet werden – z. B. für einen Briefversand.

Der „Kontext“ macht aus Daten Informationen

Sowohl offline als auch online enthalten diese Formularfelder Daten. Stellen Sie sich nun vor, in einem Feld ohne Feldbezeichnung steht „Carl Zeiss“, sonst nichts. Ist das der Name einer Person? Oder die Firma „Carl Zeiss AG“? Oder etwas ganz anderes?

Wenn „B“ diesen Kontext ebenfalls zur Verfügung hat, dann wird aus den Daten „Carl“ + „Zeiss“ eine Information. Ob dann diese Information dann für „B“ relevant ist, steht auf einem ganz anderen Blatt.

Weiterführende Lektüre:

Wissensmanagement und Wissenstransfer im B2B-Geschäft
Was unterscheidet „relevantes Wissen“ von „Informationen“?

Damit sind wir meines Erachtens bei einem der blinden Flecken der digitalen Transformation angelangt. Denn wenn jemand ein Formular (manuell) erstellt, steht die Relevanz der Information im Vordergrund. Denn das Formular wird in der Regel für die Bedürfnisse der Person erstellt, die die Information benötigt. Und diese Person weiß wahrscheinlich, welche Daten sie sammeln muss, um die relevanten Informationen zu erhalten.

Das ist die Reihenfolge: Wir wissen, welche Informationen wir brauchen, und sammeln die Daten.

Digitale Transformation: Wird danach der Schwanz mit dem Hund wedeln?

Digitalisierungsprojekte hingegen entwickeln eine eigene Logik und Dynamik. Nach dem Motto: Lasst uns so viele Daten wie möglich maschinell sammeln und ausgeben. Dann haben wir effizient gearbeitet und haben unsere Ruhe. Denn dann kann jeder für sich die relevanten Informationen aus den Daten herausfiltern.

Die Reihenfolge ist nun: Wir sammeln Daten und schauen dann, ob und welche Informationen wir daraus ableiten können.

Das mag gut klingen und ist wahrscheinlich auch gut gemeint. Aber gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht.

Nebenbei bemerkt: Es geht hier nicht um „Big Data“. Es geht um Daten aus dem normalen Tagesgeschäft, die in einem normalen KMU anfallen, in großen Datenbanken gesammelt und so den Fachkräften im Unternehmen zugänglich gemacht werden.

Der Name des Moduls (z. B. „Aufträge“) sowie die Zeilen- und Spaltenüberschriften (z. B. „Kunden-Nr.“ und „Datum“) liefern einige grundlegende Kontextinformationen.

Aber so, wie sie als große Datensammlung präsentiert werden, kann nur ein geübter Betrachter mit einer Affinität zu Zahlen und Tabellen „relevante Informationen“ für sich herauslesen.

Mit einem Stethoskop eine große Datenmenge untersuchen

Diese Aufgabe sollen – zumindest theoretisch – die hinterlegten Berichte übernehmen, die alle gängigen Softwareprogramme als Standardfunktionalität zur Verfügung stellen. In Berichten werden Informationen aggregiert, gruppiert und sortiert aufbereitet.

Sie werden vielleicht überrascht sein zu erfahren, wie selten sich nach meiner Erfahrung Mitarbeiter aus eigenem Antrieb mit den Berichten und den darin enthaltenen Informationen auseinandersetzen. Warum ist das so? Warum werden die aufbereiteten Informationen von den Fachleuten im Unternehmen nicht als relevant für die eigene Arbeit eingestuft, um sich proaktiv damit auseinander zu setzen? Damit sind wir bei des Pudels Kern!

Hinderungsgrund 1: die hierarchische Organisationsstruktur

Die erste mögliche Spur führt zur Aufbauorganisation. Welche Informationen „relevant“ sind, wird „von oben für unten“ entschieden. An einem Beispiel soll dies verdeutlicht werden:

Damals war ich als Key Account Manager (KAM) in Konzernen mit Matrixorganisation für das weltweite Geschäft mit meinen internationalen Schlüsselkunden verantwortlich. Ich wurde nie gefragt, welche Informationen ich mir wünsche. Stattdessen erhielt ich standardmäßig folgende Informationen:

  1. Mein Gesamtumsatz im Vergleich zur Vorperiode. Die Information „Entwicklung des Gesamtumsatzes“ war für meine Berichtslinie relevant. Eine weitere Aufschlüsselung nach Beratern war für meinen direkten Vorgesetzten relevant, um meine Leistung beurteilen zu können. Für mich wurde diese Information noch etwas relevanter durch die weiteren Kontextinformationen aus 2 + 3 unten.
  2. Aufteilung des Umsatzes nach Produktgruppen und Regionen. Diese Informationen waren für die jeweiligen Produkt- und Regionalverantwortlichen relevant.
  3. Aufteilung der Umsätze nach Kunden.

Weiterführende Lektüre:

Sind Umsatzsteigerung und Wachstum per se positiv?!“.
Unternehmertum ohne Umsatzsteigerung und Wachstum ist undenkbar. Aber: Die üblichen Informationen sind unbrauchbar & die entscheidenden Informationen fehlen!

Wirklich relevant wäre die Information für mich gewesen, wenn ich aus den Daten die Antwort auf die Frage „Warum ist diese Entwicklung eingetreten?“ hätte ableiten können. Ist mein Umsatz mit dem Kunden XY zurückgegangen, weil …?

  • … wir zu teuer waren?
  • … das Konkurrenzangebot passender war?
  • … es bei diesem Kunden eine Nachfrageverschiebung gegeben hat?
  • … ?

Da für mich die Relevanz der Information im Vordergrund stand, kannte ich die Antwort bereits und war darauf vorbereitet, da ich mir die fehlenden Informationen längst „händisch“ besorgt hatte. Wenn die Entwicklung überraschend war, habe ich sie nachträglich beschafft. Zum Beispiel durch Befragung meiner Kunden. Und hier schließt sich der Kreis und wir sind bei dem bereits erwähnten blinden Fleck der digitalen Transformation angelangt.

Die digitale Transformation rückt die Effizienz des Datenaustauschs in den Vordergrund und verdrängt damit ein Stück weit die Frage nach der Relevanz.

Plötzlich erscheint es nicht mehr stimmig, „die Information nachträglich von Hand zu beschaffen“. Man verzichtet darauf und begnügt sich mit den Informationen, die effizient maschinell ermittelt wurden und zur Verfügung stehen.

Hindernis 2: Mangelndes Prozessdenken

Das reale Geschehen in Unternehmen vollzieht sich in Prozessschritten. Was eine Person als Output produziert, wird an anderer Stelle von einer anderen Person als Input benötigt. Der „interne Lieferant / Dienstleister“ trifft auf den „internen Kunden“. Wie brauchbar ist der Output des Kollegen für meine Arbeit? Wie fehlerbehaftet ist sein Output? Wie lange muss ich auf sein Ergebnis warten? Das sind die wirklich relevanten Fragen.

Kollegen, in separaten Boxen sitzend, versuchen miteinander zu kommunizieren.

Allerdings lenken die Interessen der eigenen Abteilung die Aufmerksamkeit des Einzelnen von den Prozessen ab.

Statt zu fragen, was unser interner Kunde von uns braucht, fragen wir uns, was unser Chef von uns denkt.

Und die Aufmerksamkeit des Chefs richtet sich darauf, was wir in seiner Abteilung zu tun haben, und nicht darauf, was diese Tätigkeit für andere Abteilungen bedeutet.

Überprüfen Sie dies bei nächster Gelegenheit selbst. Fragen Sie z. B. eine Fachkraft, die eine Eingabemaske geöffnet hat und gerade Daten einträgt:

  • „Warum haben Sie das Feld 4711 ausgefüllt? Wer erhält diese Information?
  • „Warum haben Sie das Feld 4712 nicht ausgefüllt? Wem würde es nützen, wenn diese Information verfügbar wäre?“

Sie werden höchstwahrscheinlich keine brauchbare Antwort erhalten, da diese Information dem jeweiligen Sachbearbeiter nie zur Verfügung gestellt wurde.

Und genau deshalb verkommen teuer eingekaufte ERP-Systeme nach und nach zu verstaubten digitalen Aktenschränken.

Um bei meinem eigenen Beispiel als KAM zu bleiben: Bei mir war es nicht anders. Alle naselang stellte uns der Arbeitgeber eine neue CRM-Lösung vor und wir wurden aufgefordert, diese und jene Informationen in das System einzupflegen, was einige Zeit in Anspruch nahm. Niemand erklärte uns jedoch, warum diese zusätzliche Arbeit sinnvoll sein sollte. Nur, dass es „wahnsinnig wichtig“ sei, dass wir das machen. Für uns war diese Tätigkeit daher eine völlig unproduktive Verschwendung unserer kostbaren Zeit, die wir natürlich sofort einstellten, als der Prozess nicht mehr überwacht wurde.

Wie valide sind die Daten, auf denen die Informationen beruhen?

Im Zusammenhang mit der digitalen Transformation gibt es noch ein weiteres Problem, das angegangen werden muss:

Woran erkennen Sie, dass das „Richtige“ gemessen wurde? Woran erkennen Sie, dass das Richtige „richtig“ gemessen wurde? Woran erkennen Sie, dass das, was richtig gemessen wurde, auch fehlerfrei erfasst wurde?

Damals als KAM war das ein echtes Problem. Denn die Informationen, die ich erhielt, stimmten so gut wie nie. Denn die aggregierten Daten eines Konzernkunden setzen sich aus vielen Variablen zusammen, die man bei der Datenerfassung unbedingt berücksichtigen muss: Verbundenes Kundenunternehmen nicht versehentlich als Tochter eines Kundenkonzerns erfasst? Währung des Umsatzes richtig erfasst? Durchlaufende Posten korrekt erfasst? Und vieles mehr.

Alle diese Variablen werden durch Schlüssel gesteuert, die von der für die Datenerfassung zuständigen Person bewusst berücksichtigt werden müssen. Das Problem dabei ist, dass die Tätigkeit der Dateneingabe einfach erscheint und deshalb an billige und unerfahrene Hilfskräfte delegiert wird. Die Fähigkeit, Daten kritisch zu hinterfragen, um sie richtig zu erfassen, setzt aber nicht selten fundierte Kenntnisse und vielfältige Erfahrungen voraus.

Das ist meine nüchterne Feststellung:

Die Frage, wer eigentlich wie sichergestellt hat, dass die Daten valide sind, scheint niemanden wirklich zu interessieren.

Ein Praxisbeispiel, wie sich dieser Umstand konkursgefährdend auswirken kann, finden Sie im Artikel „Risikomanagement: Pflichten der GmbH-Geschäftsführung seit dem 01.01.2021“.

Und hier schließt sich wieder der Kreis und wir sind wieder bei dem zuvor thematisierten blinden Fleck der digitalen Transformation angelangt.

Denn die digitale Transformation rückt, wie bereits erwähnt, die Effizienz des Datenaustausches in den Vordergrund und verdrängt damit ein Stück weit die Frage nach der Validität der Daten. Es erscheint nicht konsequent, die Validität im Nachhinein manuell zu überprüfen. Man unterlässt es (und drückt die Daumen).

Schlimmer noch: Den Mitarbeitern wird das Mitdenken regelrecht abgewöhnt. Um beim plakativen Eingangsbeispiel zu bleiben: Wenn Person “B” beim manuellen Eintippen der Empfängerdaten in den Brief feststellt, dass im Feld “Anrede” keine Daten vorhanden sind, wird sie die fehlende Information einfach ergänzen: “Sehr geehrter Herr Zeiss”. Eine aufmerksame Person wird sogar vorsichtshalber nachsehen, ob vielleicht auch eine Titelangabe fehlt.

Aber nicht nach „erfolgreichem“ Abschluss der digitalen Transformation! Denn dann werden alle so tun, als sei es das Normalste der Welt, dass die Anrede in der Post mangels Daten „Sehr geehrte/r Zeiss“ lautet.

Fazit:

Eine erfolgreiche digitale Transformation ist meines Erachtens dann gegeben, wenn

  • die Menschen zuvor erfolgreich miteinander kommuniziert haben und sich darauf verständigt haben, wer wann welche relevanten Informationen wie und von wem in den Prozessabläufen benötigt, um seine Arbeit ordentlich erledigen zu können.
  • Diese Informationen stehen dem Nutzer dann „auf Knopfdruck“ zur Verfügung.
  • Darüber hinaus kann sich die Person darauf verlassen, dass die erhaltenen Informationen auf validen Daten beruhen.

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2 Kommentare zu „Digitale Transformation: Unterschied zwischen „Daten“ und „Informationen““

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