Etwas Neues ausprobieren zu dürfen ist die Voraussetzung für ein erfolgreiches Change Management. Und wir benötigen eine Fehlerkultur!
Veränderungen managen zu können bedeutet nicht unbedingt, dass man Veränderungen zulässt!
Wenn ich an Change Management denke, dann denke ich gerne an diese und ähnliche Anekdoten:
Wie einige leitende Angestellte einmal nach der Einführung eines “sehr wichtigen Zukunftsprojektes zur strategischen Neuausrichtung des Konzerns” unter sich eine Wette abgeschlossen haben, wie lange diese Neuausrichtung wohl diesmal Bestand haben würde.
Die Mutigen gingen bis auf 6 Monate runter aber niemand meinte, dass es länger als 1,5 Jahre dauert, bis diese wieder vom Tisch sein wird. Es hat übrigens ca. 14 Monate gedauert.
Oder ich denke an meinem Gespräch mit einem Vorsitzenden der Geschäftsführung, der von sich behauptet(e), ein großer Freund von Veränderungen zu sein und daher traurig bis frustriert sei, weil seine Mitarbeiter und sogar Kollegen weiterhin so reserviert auf eingeleitete Veränderungen reagieren, obwohl man viel Wert auf Kommunikation gelegt, ihnen alle Sachgründe logisch dargelegt und die positiven Aspekte für die Zukunft der Firma offengelegt hat.
Ich habe ihn gefragt, ob seine Selbsteinschätzung auch dann zuträfe, wenn seine Kollegen mit einem logischen und durchdachten Umstrukturierungskonzept auf ihn zukämen, das beinhalten würde, dass er als Einziger in ein kleineres Zimmer umziehen und nicht mehr direkt vor der Tür, sondern 20 Meter weiter parken müsste? An seiner Reaktion konnte ich erkennen, dass er nun das Thema aus einem neuen Blickwinkel betrachten konnte.
Eine erfolgreiche Veränderung hat sicherlich mehrere bekannte Komponenten:
- Die Lösungsvision für das Danach. (leider) Meist die Sachebene. Meist durch Consulting.
- Das Konzept, wie die angedachten Veränderungen kommuniziert und faktisch umgesetzt werden. (leider) meist auf der Sachebene. Consulting/ Change Management.
- Die innere Haltung der treibenden Kräfte ggü den Betroffenen. Die menschliche Ebene. Schulung, Beratung, Business Coaching.
- Die innere Haltung der betroffenen Mitarbeiter ggü der Veränderung. Die menschliche Ebene. Schulung, Beratung, Business Coaching.
Fehlerkultur
Ich meine für mich erkannt zu haben, dass eine weitere Komponente hinzukommt, die häufig übersehen wird und vielleicht sogar die Voraussetzung dafür ist, ob die Organisation Veränderungen annimmt oder nicht: eine Fehlerkultur.
- Die Haltung der gesamten Firma – Mitarbeiter und Chefs, Change-Betreiber und Betroffene – zu der Frage, ob in der Firmenkultur “Fehler” etwas sind, was man meiden sollte oder aber man “etwas Neues ausprobieren zu dürfen” als wichtige Voraussetzung für unternehmerischen Erfolg betrachtet!
Warum ist diese Frage wichtig?
Der Grund ist unser „innerer Kritiker”, der uns daran hindert, etwas Neues auszuprobieren. Der uns Angst macht, Fehler zu machen und uns vor Augen führt, was alles schieflaufen könnte.
Und genau mit diesem Feind haben Sie es in einem Change-Prozess zu tun: Sie haben bereits erfolgreich die erste Hürde genommen und die Blockadehaltung der Mitarbeiter ist nun überwunden. Die Mitarbeiter erkennen, warum es einen Sinn ergibt, einen neuen Weg einzuschlagen.
Aber der neue Weg steht ja noch nicht fest! Man hat lediglich eine Vorstellung davon, wie der Weg aussehen könnte. Die Alltagstauglichkeit und Richtigkeit der Lösung bleibt noch abzuwarten. Die Firma und die betroffenen Mitarbeiter betreten Neuland!
Wie Sie hoffentlich leicht erkennen können, tatsächlich haben wir es immer mit der Hypothese einer möglichen Lösung zu tun. Was wir als „Umsetzung“ bezeichnen, ist lediglich die (fortlaufende) Überprüfung der Hypothese.
Wenn man sich das bewusst macht, dann wird spätestens an dieser Stelle deutlich: “Fehler” und “Fehlerkultur” sind in diesem Zusammenhang falsch gewählt, weil sie im Zusammenhang mit einer Hypothesen-Überprüfung keinen Sinn ergeben.
Als zwingende Voraussetzung zur Überprüfung der Hypothese benötigen wir eine vordefinierte Qualität. Beispielsweise, dass Daten korrekt erfasst werden. Wenn sie nicht korrekt erfasst wurden, dann haben wir es mit einem Fehler zu tun. Eine “Fehlerkultur” wäre hier allerdings fehl am Platz, sondern eher eine Nulltoleranzstrategie: Das Streben danach, dass künftig dieser Fehler nicht mehr passieren kann.
Um das zu ermöglichen, müssen wir uns ein Bild davon machen, wie der Fehler zustande kommen konnte. Hierbei laufen wir Gefahr, dass wir das Miteinander mit einer linearen Kausalität von Ursache und Wirkung beschreiben wollen.
Z. B.: Person A, die für die Erfassung zuständig war, hat den Fehler verursacht. Was so nicht stimmt, denn die Realität ist stets “komplex-kausal”: viele Ursachen verursachen viele Wirkungen und Rückkoppelungen.
“Fehlerkultur” bedeutet daher für mich: Von linear-kausalen Schuldzuweisungen Abstand halten und sich gemeinsam ein Bild der möglichen Ursachen machen.
Stecken Sie gerade in der Umsetzung eines Change-Prozesses fest? Kontaktieren Sie mich und ich helfe Ihnen gerne, die Gründe herauszufinden und zu überwinden.
3 Kommentare zu „Für Change Management benötigt man eine Fehlerkultur“
Sehr treffend formuliert. Noch immer ist fast niemand in der Lage, sich einen Fehler einzugestehen. Dabei sind Fehler unvermeidbare Erfahrungen, die eine Chance bieten, Dinge besser zu machen. Der Erfolgreiche befreit sich von diesen Zwängen.
Eine strukturelle Veränderung in einem Unternehmen gleicht oft einem privaten Umzug in einer neuen Wohnung oder Haus.
Sicherlich wird man bei den ersten Umzügen versuchen sich bestmöglichst einzurichten, die Nachbarschaft kennenzulernen und sozusagen dort heimisch zu werden.
Muss man allerdings alle halbe Jahre umziehen, erspart man sich mehr als das Nötigste zu tun, um das nächste halbe Jahr dort verbringen zu können.
Die Akzeptanz einer Veränderung in einem Unternehmen steht auch mit der Häufigkeit der Veränderungen in Verbindung.
Somit ist die im Artikel angesprochene Wette eher ein Signal dafür, dass nach Meinung der Mitarbeiter nichts Beständiger ist als die Veränderung.
Ich habe in einem früheren Unternehmen, sehr oft Veränderungen erfahren. Meine Reaktion war, unauffällig und der Veränderung gegenüber scheinbar intressiert zu bleiben, bis sich das Unwetter verzieht.
D.
Ein sehr guter Vergleich! Danke für ihren Kommentar.
Die Frage, die sich häufig stellt, ist, ob man wirklich alle halbe Jahre umziehen *muss*? Meine Antwort: Nein! Es gibt Sachzwänge für “Change”. Dazu gehören, dass der Markt insgesamt einbricht oder man war abhängig von einem Großkunden und er fällt plötzlich aus oder ein neuer Wettbewerber mit einem besseren Produkt kommt auf den Markt, etc.
Manchmal aber ist der Grund für die Veränderung lediglich ein neuer Chef, der alles anders machen will oder eine Unternehmensberatung, die meint, dass man genauso aussehen sollte wie der Wettbewerber. Bevor man sich ein Change-Prozess “antut”, schadet es nicht zu hinterfragen, ob nicht vielleicht “evolution” die bessere Alternative wäre!